CATT Studie: Avastin und Lucentis offenbar gleichwertig
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Quelle: www.aerzteblatt.de/nachrichten/45618/US-Studie--Avastin-und-Lucentis-offenbar-gleichwertig.htm
Donnerstag, 28. April 2011
US-Studie: Avastin und Lucentis offenbar gleichwertig
dpa
Bethesda - Eine Vergleichsstudie des US-National Eye Institute ist offenbar zu dem Ergebnis gekommen, dass die beiden Wirkstoffe Bevacizumab (Avastin®) und Ranibizumab (Lucentis®) in der Behandlung der feuchten AMD gleichwertig sind.
Dies will die New York Times im Vorfeld der Jahrestagung der Association for Research in Vision & Ophthalmology erfahren haben, wo die Ergebnisse am Wochenende vorgestellt werden. Der Hersteller wird dort anhand einer Analyse von Medicare-Daten versuchen, das Vertrauen in das wesentlich kostengünstigere Medikament Avastin zu erschüttern. Seine Anwendung soll mit einem erhöhten Sterberisiko einhergehen.
Das US-National Eye Institute hatte die CATT-Studie (Comparison of AMD Treatments Trials: Lucentis - Avastin Trial) im Februar 2008 begonnen. Damals hatten viele US-Ophthalmologen die Altersbedingte Makuladegeneration (AMD) weiterhin mit dem Krebsmedikament Avastin behandelt, obwohl seit Juni 2006 mit Lucentis ein Medikament zur Verfügung stand, dessen Wirksamkeit bei der feuchten AMD in randomisierten klinischen Studien belegt war, während es zu Avastin nur Erfahrungsberichte gab.
Doch der Preis für Lucentis lag 40-fach höher (2000 vs. 50 US-Dollar), was angesichts eines fast identischen Wirkmechanismus vielen Ärzten als nicht vertretbar erschien. Für viele Selbstzahler oder Unterversicherte stellte sich angesichts der hohen Kosten weniger die Alternative zwischen Avastin und Lucentis als zwischen Avastin und dem Verzicht auf eine antiangiogenetische Behandlung.
Für die staatliche Gesundheitsversorgung für Rentner ging es um den rationalen Einsatz von finanziellen Ressourcen: In 2008 wurden über Medicare zur AMD-Behandlung 480.000 Injektionen mit Avastin und 337.000 Injektionen mit Lucentis abgerechnet. Die Gesamtrechnung für Avastin betrug 20 Millionen US-Dollar, für Lucentis mussten 537 Millionen US-Dollar bereit gestellt werden.
Bevacizumab und Ranibizumab nicht identisch
Es ging in der CATT-Studie jedoch auch um die Frage, welche der beiden Wirkstoffe die besseren Resultate erzielt. Die beiden humanisierten Antikörper Bevacizumab und Ranibizumab leiten sich zwar vom gleichen monoklonalen Antikörper ab. Sie sind aber nicht identisch.
Ranibizumab ist ein Antikörperfragment (Molekulargewicht: 48 kD), Bevacizumab ist ein kompletter Antikörper (Molekulargewicht: 149 kD). Ranibizumab wird nach einer intravitrealen Injektion schneller eliminiert. Die Injektionen müssen alle vier Wochen erfolgen, Bevacizumab wird häufig in einem Intervall von 6 Wochen injiziert. Das könnte ein gewisser Vorteil von Bevacizumab sein.
Ranibizumab wird in Escherichia coli-Kulturen hergestellt. Es ist nicht glykolysiert. Bevacizumab wird in einer Zelllinie aus Ovarien des chinesischen Hamsters (Chinese Hamster Ovary, CHO) exprimiert. Es ist glykolysiert. Dies könnte für eine schlechtere Verträglichkeit von Bevacizumab bei der intravitrealen Injektion sprechen.
Die Bindungsstelle mit dem Wachstumsfaktor VEGF A (vascular endothelial growth factor) wurde bei Ranibizumab modifiziert, um die Wirkung zu verstärken. Dies könnte für eine gezieltere Therapie mit Ranibizumab sprechen. Ob diese pharmakologischen Unterschiede sich auf die Behandlungsergebnisse auswirken, kann jedoch nur durch eine randomisierte klinische Studie untersucht werden.
An der CATT-Studie nahmen an 47 Zentren etwa 1.200 Patienten mit feuchter AMD teil. Sie wurden auf vier Arme randomisiert, in denen sie über ein Jahr mit Lucentis oder Avastin einmal im starren Abstand von vier Wochen und zum anderen nach einem variablen Schema behandelt wurden.
Die Ergebnisse werden am Sonntag auf der Jahrestagung der Association for Research in Vision & Ophthalmology in Fort Lauderdale vorgestellt. Sie sollen am gleichen Tag im New England Journal of Medicine publiziert werden. Bis dahin sind die Ergebnisse geheim.
Die New York Times will allerdings erfahren haben, dass beide Medikamente gleichwertig waren. Nach den Kriterien der Studie bedeutet eine "Non-Inferiorität", dass die Unterschiede im Sehtest weniger als 5 Buchstaben betragen müssen.
Ob diese Angaben der New York Times zutreffen, wird man am Sonntag wissen. Die Zeitung berichtet weiterhin, dass Experten des US-National Eye Institute am Dienstag die Ergebnisse diskutiert haben. Es wird deshalb wahrscheinlich am Sonntag schon eine erste Bewertung geben.
Ende der Debatte nicht in Sicht
Wie auch immer die Ergebnisse am Ende ausgefallen sind. Ein Ende der Debatte werden sie nicht sein, wie ein Blick auf die Abstracts zeigt, die bereits ins Netz gestellt wurden. Dort findet sich beispielsweise eine Auswertung der Medicare-Abrechnungsdaten aus den Jahren 2005-9, die Emily Gower im Auftrag des Herstellers Genentech durchgeführt hat (Abstract 6644).
Der Anteil der Avastin-Injektionen lag bei 54 Prozent. Gegenüber den 46 Prozent der Patienten, die mit Lucentis behandelt wurden, ermittelt Gower ein um 11 Prozent erhöhtes Sterberisiko (Hazard Ratio HR 1,11; 99-Prozent-Konfidenzintervall 1,01-1,23) und ein um 57 Prozent erhöhtes Risiko von Hirnblutungen (HR 1,57; 1,04-2,37).
Dies deutet auf eine schlechtere systemische Verträglichkeit von Bevacizumab hin, was angesichts der im Vergleich zur intravenösen Therapie bei Krebserkrankungen sehr viel geringeren Dosis überrascht. Die Autorin muss denn auch einräumen, dass die Angaben zu den möglichen Störfaktoren begrenzt waren.
Retrospektive Datenbankanalysen sind in dieser Beziehung sehr störanfällig. Die Studie eignet sich möglicherweise eher dazu, dass Vertrauen der Augenärzte und Patienten zu erschüttern, als die Empfehlungen der Leitlinien-Autoren zu beeinflussen.
Interessanter sind die Angaben zu den lokalen Nebenwirkungen: Danach soll es unter Bevacizumab zu 19 Prozent seltener zu einem Anstieg der Augeninnendrucks beziehungsweise einem Glaukom kommen. Auf der anderen Seite waren Kataraktoperationen zu 11 Prozent häufiger. Auch Entzündungen der Augen wurden nach Avastin-Injektionen zu 80 Prozent häufiger beobachtet.
Eine weitere Analyse der Medicare-Daten erinnert die Augenärzte daran, dass eine intravitreale Injektion nicht ohne Risiken ist und zwar unabhängig davon, welches Medikament appliziert wird.
Shelley Day von der Duke Universität in Durham/North Carolina beziffert das Risiko einer Endophthalmitis auf 0,12 Prozent pro Injektion und das Risiko einer Glaskörperblutung auf 0,27 Prozent pro Injektion. Da die Injektionen regelmäßig und realistischerweise unbegrenzt erfolgen, dürften diese Risiken akkumulieren (Poster 116/A251). © rme/aerzteblatt.de